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Übergangsriten

(Les rites de passage), Campus Bibliothek

Erschienen am 15.09.2005, Auflage: 3/2005
29,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593378367
Sprache: Deutsch
Umfang: 264 S.
Format (T/L/B): 2 x 21.3 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Arnold van Genneps Hauptwerk Les rites de passage, zuerst 1909 erschienen, ist ein »Klassiker« der Ethnologie, wenn es um die Wahrnehmung und Erforschung rituellen und symbolischen Verhaltens geht. Van Gennep beschreibt, wie bei unterschiedlichen Völkern das Problem der Grenzüberschreitung, das die Dynamik des sozialen Lebens begleitet, durch die Herausbildung von Ritualen bewältigt worden ist: so etwa Orts-, Status- und Berufswechsel, Erwachsenwerden und Altern, Geburt und Tod. Die damit verbundenen Rituale bezeichnet er als »Übergangsriten «. Sein Buch bietet ein bis heute aktuelles Modell zur Einordnung und Erklärung ritueller Praktiken und eröffnet einen neuen Blick auch auf unsere modernen Alltagsrituale.

Autorenportrait

Der französische Ethnologe und Volkskundler Arnold van Gennep (1873-1957) gilt als Begründer der französischen Ethnografie.

Leseprobe

Ich werde jetzt relativ ausführlich auf die Jenseitsvorstellungen der Haida eingehen, weil in ihnen bekannte Themen kombiniert zum Ausdruck kommen. Der Weg ins Jenseits führt zu den Ufern einer Art Bucht, auf deren anderer Seite sich das Land der Seelen befindet. Will ein Toter übersetzen, schickt man ihm von dort ein Floß, das sich von selbst bewegt. Am anderen Ufer angekommen, macht sich der Verstorbene auf die Suche nach seiner Frau, was sehr lange dauert, da die Dörfer im Totenreich ebenso weit verstreut sind wie die der lebenden Haida und jedem Toten nur eine Frau zugeteilt wird. Wenn ein Mann stirbt, gibt er an, in welchem Totendorf er leben möchte, und Boten werden ihm gesandt, die ihn auf seiner Reise begleiten sollen. Jede Gabe an den Toten vervielfältigt sich, sowie er sie braucht. Und die Bestattungsgesänge helfen ihm, sein Dorf mit erhobenen Haupt zu betreten. Die Toten sorgen für das Wohl ihrer armen irdischen Verwandten. Im Totenreich werden Sakraltänze aufgeführt, und die Seelen lassen es sich wohlergehen. Jenseits dieser Welt lebt ein Häuptling, der "Große ziehende Wolke" heißt und für reiche Lachsschwärme verantwortlich ist. Wenn sich die Seele eines Verstorbenen eine Zeitlang im Totenreich aufgehalten hat, rüstet sie ein Kanu, sucht ihre Habseligkeiten zusammen und begibt sich - unter den Abschiedsklagen ihrer Gefährten- in ein Land, das Xada genannt wird. Diese Abreise markiert ihren zweiten Tod, dem ein dritter und ein vierter folgen. Erst beim fünften Tod kommt sie in Gestalt einer blauen Fliege wieder zur Erde zurück. Andere Haida glauben, daß der vierte Tod erst nach mehreren Wiedergeburten als Mensch erfolgt. Es gibt verschiedene Totenreiche für Ertrunkene, gewaltsam Umgekommene, Schamanen usw. Im Falle eines auf gewöhnliche Art Verstorbenen nehmen die Bestattungsriten folgenden Verlauf. Man bemalt das Gesicht des Toten, legt ihm einen sakralen Kopfschmuck an und setzt ihn auf eine Bahre, auf der er vier bis sechs Tage bleibt. Man stimmt besondere magische Gesänge an, die zunächst von den Mitgliedern des Klans des Verstorbenen, dann von denen des entgegengesetzten Klans gesungen werden. Dann wirft man alle möglichen Nahrungsmittel und Getränke in ein "Klagefeuer". Diese Gaben vervielfältigen sich, und der Tote nimmt sie mit in die jenseitige Welt. Nun legen die Verwandten die Zeichen der Trauer an - sie rasieren sich den Kopf und färben sich das Gesicht schwarz. Hierauf schiebt man die Bahre mit dem Toten durch ein Loch in der Wand aus dem Haus und bringt sie zum "Bestattungshaus", in dem nur Mitglieder dessen Klans beigesetzt werden. Zehn Tage lang benutzt die Witwe einen Stein anstelle eines Kopfkissens, badet täglich, wäscht sich aber nicht das Gesicht usw. Dann versammelt sie Kinder des entgegengesetzten Klans und bereitet ihnen ein Mahl, "um sich wieder verheiraten zu können" (die Haida sind exogam). Nach Aussage eines anderen Informanten gleichen die Trauerriten den Mädchenpubertätsriten. Kurz, während die Riten zum einen den Verstorbenen mit den Toten seines Klans vereinigen und ihn mit allem versorgen sollen, was er auf seiner Reise ins Jenseits benötigt, sind sie zum anderen gleichzeitig vorbeugend und animistisch (die Öffnung in der Wand des Hauses, die Bahre, die Gruft usw. sollen die Rückkehr des Toten verhindern) oder vorbeugend und kontagiös (Trauer, Waschungen usw.). aus Kap.8 Bestattung

Schlagzeile

Campus Bibliothek - Klassiker der Geschichte, Sozial- und Kulturwissenschaften